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Ferienhaus Sizilien
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Forza d’Agrò auf Sizilien

Unweit von den touristischen Orten wie Taormina und Letojanni, schlängelt sich eine Strasse zum Bergort Forza d’Agrò hoch, auf 420 Meter Höhe. Das kleine Dorf vermittelt einem eine Ahnung, wie das Leben früher auf Sizilien war. Auf dem Parkplatz beim Dorfeingang, wird das Auto abgestellt, denn die Strassen hier sind sehr eng und verwinkelt. Es kommt einem vor, als wären die eng aneinandergebauten Häuser zu einer Mütze verwoben, die sich der Berg über seinen Kopf gezogen hat und zuoberst auf seinem Haupt, steht etwas zerfallen - doch noch immer imposant - die alte Festung: das Kastell.

Auf dem Dorfplatz sitzen ein paar alte Männer und geniessen die warmen Sonnenstrahlen. Überhaupt ist dieser kleine Ort in den Händen der Alten, denn die Jungen sind die meisten weggezogen, irgendwohin, wo es mehr Arbeit gibt. Obwohl das Dorf klein ist, so verfügt es doch über drei Kirchen (alle katholisch). Viel gibt es hier nicht, nur eben das, was man zum täglichen Leben braucht: eine Bar, ein Restaurant, Apotheke, Bäcker und einen Lebensmittelladen. Hier auf Sizilien findet man in allen Städten und Dörfern dieselben Strassennamen. Ganz nach dem Motto „viele Wege führen nach Rom“ entdeckt man auch in diesem abgelegenen Ort eine enge Gasse (wo gerade noch ein „Cinquecento“ durchfahren kann), die den vielsagenden Namen „Via Roma“ trägt.

Von der Hauptgasse führt ein Treppenweg in die Höhe. Es begegnen einem nur wenige Leute, und man überlegt sich, wie anstrengend das sein muss, alles Eingekaufte die Treppengassen hoch zutragen. Am 26. Dezember und 6. Januar findet in Forza d’Agrò ein lebendes Krippenspiel statt. Die ganze Dorfbevölkerung macht mit und die Ställe, Werkstätten und Häuser werden in die Vergangenheit zurückverwandelt. Man trinkt ein Glas Wein in der alten Taverne, schaut dem Schmied zu, wie er die Räder mit neuen Eisen verseht, begegnet den Hirten mit den Schafen und lächelt beim Anblick der zahnlosen Alten, die in der Bäckerei an einem Stück Brot kauen. Nach der Abendmesse warten alle vor der Kirche, auf das Eintreffen von Josef, der den Esel führt, auf welchem seine schwangere Frau Maria sitzt. Nur Kerzen und Fackeln beleuchten den Weg. Die Menschenmenge folgt dem Paar, wie es bei den „Hotels“ anklopft und weitergeht, bis zum Stall und die ganze Geschichte wirkt auf einmal so echt.

Über die steile, etwas zerbröckelte und mit Gras überwachsenen Treppe erreicht man das Kastell. Nicht an jedem Tag ist das Eisentor offen. Dieser Ort hat etwas sehr Faszinierendes, Aufregendes an sich. Von hier oben hat man eine wundervolle Aussicht über das Meer, bis hin nach Kalabrien. Das blaugrüne Wasser glitzert in der Mittagssonne. Diese alte Festung diente bis vor ungefähr fünfunddreissig Jahren als Friedhof. Überall stehen alte, zum Teil beschädigte Steingräber herum, nicht in einer Reihe oder in einer klaren Ordnung, nein, sie stehen einfach so, wo sich gerade ein geeigneter Platz gefunden hatte. Es herrscht eine absolute Ruhe, man hört nur ein leises Summen der Bienen und die schwarzweissen Fotos auf den Gräbern scheinen einem gastfreundschaftlich zuzunicken. Dies hier ist ihr Reich. Und wer bis dahin nicht an Gespenster geglaubt hat, der könnte hier auf einmal erleben, wie einem die wildesten und aussergewöhnlichsten Gedanken kommen. Wenn im Sommer die Sonne das wenige Gras versengt hat und die dürren Halme sich im warmen Abendwind leicht neigen, die Ameisen ihre Strassen durch die Wildnis bahnen und die Zikaden zirpen; dann hat man das Gefühl, als würden einem die Grabbewohner von Dürre, Krieg und Dorffeiern berichten, und die etwas zerfallenen Kastellmauern erzählen von Bewachung, Verteidigung und Zerfall. Hier haben sich die entfernte und nahe Vergangenheit getroffen und sich mit der Gegenwart vereint.

Text: Micheline Holweck